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Anton Schmid
Der gute Mensch von Wilna


Dokumentarfilm, 53 Minuten

Gewissen vor Befehl. Das war die Maxime von Anton Schmid, eines beinah vergessenen Widerstandskämpfers in Uniform. Der Feldwebel aus Wien rettete 1941/42 etwa 300 Juden aus dem Ghetto von Wilna vor dem sicheren Tod.

Anton Schmid agierte schlicht aus seinem Selbstverständnis für Menschlichkeit heraus, für seine Rettungsaktionen nahm er kein Geld. Der Elektrohändler aus der Brigittenau erlebte in Wilna täglich, wie Nationalsozialisten in Uniform mit ihren litauischen Helfern Jüdinnen und Juden demütigten, deportierten und ermordeten. Indem Schmid seine Kompetenzen als Wehrmachtsangehöriger bewusst überschritt, war er in den Augen der Nazis ein „Kriegsverräter“. Ein „Verbrecher“, der mit dem Tode zu bestrafen war. Die Kontinuitäten in puncto Pflichterfüllung und Soldateneid brandmarkten ihn jedoch auch nach 1945 – wie andere militärische Widerstandskämpfer – als „Befehlsverweigerer“ oder gar „Vaterlandsverräter“. Als Anton Schmid 1967 als erster Angehöriger der Wehrmacht von Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ anerkannt wurde und später – viel später – die ersten Ehrungen in Österreich erhielt, erfuhren seine Heldentaten erst jene Anerkennung, die ihnen gebührten.

Die Dokumentation „Anton Schmid – Der gute Mensch von Wilna“ versucht, die Motive des Wiener Elektrohändlers, der zum Märtyrer des Widerstands wurde, nachzuzeichnen. Das Team von Regisseur Martin Betz begab sich dabei auf Spurensuche nach Litauen, Polen, Israel und in die Wiener Brigittenau. Dabei flossen die Forschungen des österreichischen Autors Manfred Wieninger und der litauischen Schriftstellerin Dalija Epstein mit ein, die seit Jahren verborgene Fakten des Falls Schmid zutage fördern. Die erhaltenen Briefe von Anton Schmid, verwahrt von dessen Enkelin Brigitte Kelemen, ergänzen das Bild eines Humanisten, der voller Empathie für seine Mitmenschen war. „So wie ich im Leben immer alles für andere tat, so habe ich auch mein alles für andere geopfert“, schrieb Schmid im letzten Brief an seine Frau.

Schmids kompromisslose humanistische Haltung äußerte sich meist spontan: Er schuf sich in Wilna einfallsreich Handlungsspielräume, um Jüdinnen und Juden vor der Vernichtung zu retten. Er versteckte Schutzsuchende in seiner Wohnung, brachte Menschen ohne Arbeitspapiere in seinen Werkstätten unter, vor allem aber transportierte er Mitglieder des jüdischen Widerstands mit Wehrmachts-LKWs in die zu diesem Zeitpunkt noch nicht so stark vom Holocaust erfassten Städte Bialystok, Lida und Grodno.

In der Dokumentation zeichnen Spielszenen die dramatischen Wendepunkte von Schmids Rettungsaktionen nach und zeigen ihn in Interaktion mit jenen Geretteten, die er in seiner Wohnung versteckte. Der Schauspieler Leopold Altenburg gibt Schmid ein täuschend ähnliches Gesicht – vor allem aber stattet er die Figur mit jener Herzenswärme aus, die deren Handlungen prägte. „Schmid war nicht der Typus des religiös oder politisch motivierten Widerständlers, sondern einer, der vor allem Menschen, die in Not waren, die vom Tod bedroht waren, helfen wollte“, sagt der Historiker Wolfgang Neugebauer.

Die Dokumentation widmet sich jedoch auch einem anderen Österreicher: Quasi als Antipode zu Schmid steht Franz Murer, der als der „Schlächter von Wilna“ bekannt wurde. Murer hatte maßgeblichen Anteil daran, dass in Litauen die Juden in einem Ausmaß und einer Geschwindigkeit ermordet wurden wie in keinem anderen von der Wehrmacht besetzten Gebiet. Murer wurde trotz drückender Beweislast 1963 in einem Prozess in Graz freigesprochen. An den beiden Österreichern Schmid und Murer werden die entgegengesetzten Handlungsmöglichkeiten für Soldaten in der NS-Zeit erkennbar: dass es eine Wahl gab – eine Wahl, sich auf die Seite des Verbrechens zu stellen oder nicht.

EA: 29.01.2020, 22:30 Uhr, ORF 2



26. 1. 2023, 22:55 Uhr
3sat


 

Fotos Renactments:
Fotos Doku-Dreh:

Anton Schmid –
Der gute Mensch von Wilna


Buch & Regie: Martin Betz
Darsteller: Leopold Altenburg (Anton Schmid), Henrietta Rauth (Luisa Emaitisaite), Christoph Radakovits (Hermann Adler), Stanislaus Dick (Max Huppert), Susanne Thomanek (Stefanie Schmid), Amelie Binder (Gertrude Schmid), Joshua Bader (Feldpolizist), Hannah Molcar (Anita Adler)
Kamera Reenactments: Robert Neumüller
Kamera Doku: Werner Veits, Hannes Drapal, Tulik Galon, Christian Haake
Schnitt: Jörg Achatz
Ton: René Schuh, Nir Alon
Regieassistenz: Jan Prazak
Kameraassistenz: Rainhard Lehninger
Oberbeleuchter: Lukas Swatek
Musik: Kurt Adametz
Sprecher: Matthias Euba
Recherche: Alina Sklenicka
Historisches Archiv:
Silvia Heimader
Ausstattung: Anais Heininger, Jan Bruckschwaiger
Kostüm: Elisabeth Binder-Neururer, Hanna Hofmann
Maske: Andreas Meixner, Michaela Reuscher
Sounddesign: Christofer Frank
Tonmischung: Florian Camerer
Mastering: Christian Vollenhofer
Aufnahmeleitung: Dominik Brauweier, Iris Lanchiano
Produktionsleitung: David Steinbach
Produktion
:
Nikolaus Wisiak, pre tv
Gabriele Wistawel, ORF
Redaktion: Andreas Novak

Eine Koproduktion von pre tv und ORF

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