Im Herbst
2007 gab es in Innsbruck Proteste zu einem auf der Innbrücke
aufgestellten Kreuz des Tiroler Künstlers Rudi Wach,
der Jesus
ohne Wundmale und Lendenschurz darstellte. Die Kritiker
des Kruzifixes
postulierten, dies sei nicht ihr Christus. Wie hat aber sakrale Kunst
auszusehen? Ist alles, was von den herkömmlichen christlichen
Symbolen abweicht, bereits Blasphemie? Dazu nehmen mehrere Menschen
Stellung: Zum einen der Kunstsammler und bekennende evangelische
Christ Karlheinz Essl, der mit Ausstellungen von Bettina Rheims und
Damien Hirst immer wieder den Blasphemie-Vorwurf auf sich gezogen
hat, zum anderen Gustav Schörghofer, Kirchenrektor der Jesuitenkirche
in Wien und Förderer von moderner Kunst im sakralen Raum, der
durch den Ankauf eines Kreuzes und Messgeschirrs aus Lego im Jahr
2004 heftige Irritation erzeugte.
„Manche haben gesagt, da ist ja Jesus durch ein Lastauto ersetzt“,
erinnert sich Schörghofer, „und da helfen dann schon Hinweise,
dass das Kreuz mit Transport zu tun hat, dass da jemand getragen
wird. Das Kreuz ist keine Endstation, sondern gibt einen Weg vor.“
Manfred
Erjautz, der „Lego-Künstler“,
wollte mit seinen Werken eine Analogie zwischen dem Kinderspielzeug
und der Religion herstellen: „Lego und Religion verbindet
der Versuch, Weltmodelle herzustellen, Haltungen zu produzieren.
Lego gibt dem Kind die Möglichkeit, sich in eine Stadt hineinzudenken,
und die Religion unternimmt den Versuch, bestimmte Vorstellungen
als Stütze zu definieren.“
Für
den Banker und gläubigen Katholiken Christof Zellenberg ist
es eine traurige Tatsache, dass Blasphemie in unserer Zeit immer
mehr zunimmt und ein Produkt des ständigen Werteverfalls ist.
Viele Künstler wollten nur provozieren, sagt er, sie beleidigen
damit weniger Gott als die Gläubigen selbst. Der Schriftsteller
Franz Schuh wiederum sagt, dass in von religiösen Denken stärker
definierten Milieus Blasphemie stärker präsent ist, dass
durch Blasphemie die Gegenwart des Religiösen gewährleistet
wird.
Obwohl
der Begriff der Blasphemie landläufig mit provozierenden Darstellungen
religiöser Symbole in Verbindung gebracht wird, sieht der
Theologe Wolfgang Treitler in der Darstellung selbst keine Blasphemie,
vielmehr in deren Anbetung. „Blasphemie spielt sich immer
dort ab, wo irgendetwas, das nicht letzte Bedeutung hat, zeitweilig
letzte Bedeutung bekommt. Dort erlebt man auch, dass man in die
Herrschaft des Götzen gerät.“ Als Beispiel führt
er das alttestamentarische Goldene Kalb an. Als innerweltliche
Inszenierung, welcher der Mensch erliegt, gilt für Treitler
auch der Nationalsozialismus, indem hier „das Volk, der Staat,
die Volksgemeinschaft an die Stelle Gottes gesetzt wurden und ihnen
eine absolute Heiligkeit zugesprochen wurde“.
Als
einen subtilen blasphemischen Akt unserer Zeit erkennt Wolfgang
Treitler die Geldwirtschaft: Geld werde immer mehr zum absoluten
Wert des irdischen Glücks. „Es gibt kaum noch Freiräume
dem Geld gegenüber. Das Geld frisst alles. Das war auch
eine Grundbestimmung der Moloche als blasphemische Gegengötter,
die immer die Kraft hatten, das, was ihnen ausgeliefert war,
zu fressen.“
Turbokapitalismus,
Börsenspekulationen, Konsumwahnsinn hätten heute den
Status dieser Moloche eingenommen, und der Mensch
feiere neue Götzen,
ohne zu bemerken, dass diese ihm die Menschenwürde entziehen.
BLASPHEMIE
A 2007, 35 Minuten
Regie & Buch: Martin Betz
Kamera: Judith Stehlik, René Rothkopf
Ton: Hans Schranz
Schnitt: Markus Wogrolly
Musik: Joachim Butz
Producer: Golli Marboe
Produktion: Tellux Film / ORF
EA: 27. 11. 2007, ORF 2, 22.30 Uhr (kreuz & quer); Wh.: 11. 9. 2009, 3sat,
12.25 Uhr