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BLASPHEMIE
Kann man Gott beleidigen?

Dokumentarfilm, 35 Minuten

Im Herbst 2007 gab es in Innsbruck Proteste zu einem auf der Innbrücke aufgestellten Kreuz des Tiroler Künstlers Rudi Wach,
der Jesus ohne Wundmale und Lendenschurz darstellte. Die Kritiker
des Kruzifixes postulierten, dies sei nicht ihr Christus. Wie hat aber sakrale Kunst auszusehen? Ist alles, was von den herkömmlichen christlichen Symbolen abweicht, bereits Blasphemie? Dazu nehmen mehrere Menschen Stellung: Zum einen der Kunstsammler und bekennende evangelische Christ Karlheinz Essl, der mit Ausstellungen von Bettina Rheims und Damien Hirst immer wieder den Blasphemie-Vorwurf auf sich gezogen hat, zum anderen Gustav Schörghofer, Kirchenrektor der Jesuitenkirche in Wien und Förderer von moderner Kunst im sakralen Raum, der durch den Ankauf eines Kreuzes und Messgeschirrs aus Lego im Jahr 2004 heftige Irritation erzeugte.

„Manche haben gesagt, da ist ja Jesus durch ein Lastauto ersetzt“, erinnert sich Schörghofer, „und da helfen dann schon Hinweise, dass das Kreuz mit Transport zu tun hat, dass da jemand getragen wird. Das Kreuz ist keine Endstation, sondern gibt einen Weg vor.“

 





Manfred Erjautz, der „Lego-Künstler“, wollte mit seinen Werken eine Analogie zwischen dem Kinderspielzeug und der Religion herstellen: „Lego und Religion verbindet der Versuch, Weltmodelle herzustellen, Haltungen zu produzieren. Lego gibt dem Kind die Möglichkeit, sich in eine Stadt hineinzudenken, und die Religion unternimmt den Versuch, bestimmte Vorstellungen als Stütze zu definieren.“

Für den Banker und gläubigen Katholiken Christof Zellenberg ist es eine traurige Tatsache, dass Blasphemie in unserer Zeit immer mehr zunimmt und ein Produkt des ständigen Werteverfalls ist. Viele Künstler wollten nur provozieren, sagt er, sie beleidigen damit weniger Gott als die Gläubigen selbst. Der Schriftsteller Franz Schuh wiederum sagt, dass in von religiösen Denken stärker definierten Milieus Blasphemie stärker präsent ist, dass durch Blasphemie die Gegenwart des Religiösen gewährleistet wird.
Obwohl der Begriff der Blasphemie landläufig mit provozierenden Darstellungen religiöser Symbole in Verbindung gebracht wird, sieht der Theologe Wolfgang Treitler in der Darstellung selbst keine Blasphemie, vielmehr in deren Anbetung. „Blasphemie spielt sich immer dort ab, wo irgendetwas, das nicht letzte Bedeutung hat, zeitweilig letzte Bedeutung bekommt. Dort erlebt man auch, dass man in die Herrschaft des Götzen gerät.“ Als Beispiel führt er das alttestamentarische Goldene Kalb an. Als innerweltliche Inszenierung, welcher der Mensch erliegt, gilt für Treitler auch der Nationalsozialismus, indem hier „das Volk, der Staat, die Volksgemeinschaft an die Stelle Gottes gesetzt wurden und ihnen eine absolute Heiligkeit zugesprochen wurde“.





 






Als einen subtilen blasphemischen Akt unserer Zeit erkennt Wolfgang Treitler die Geldwirtschaft: Geld werde immer mehr zum absoluten Wert des irdischen Glücks. „Es gibt kaum noch Freiräume dem Geld gegenüber. Das Geld frisst alles. Das war auch eine Grundbestimmung der Moloche als blasphemische Gegengötter, die immer die Kraft hatten, das, was ihnen ausgeliefert war, zu fressen.“

Turbokapitalismus, Börsenspekulationen, Konsumwahnsinn hätten heute den Status dieser Moloche eingenommen, und der Mensch
feiere neue Götzen, ohne zu bemerken, dass diese ihm die Menschenwürde entziehen.
  BLASPHEMIE
A 2007, 35 Minuten
Regie & Buch: Martin Betz
Kamera: Judith Stehlik, René Rothkopf
Ton: Hans Schranz
Schnitt: Markus Wogrolly
Musik: Joachim Butz
Producer: Golli Marboe
Produktion: Tellux Film / ORF
EA: 27. 11. 2007, ORF 2, 22.30 Uhr (kreuz & quer); Wh.: 11. 9. 2009, 3sat, 12.25 Uhr