Jahrzehntelang lag der Fall Margarethe Ottillinger im Dunkel der Geschichte Österreichs. Die erst 28-jährige Wirtschaftsexpertin und Sektionschefin wurde am 5. November 1948 an der Ennsbrücke bei Linz von den Sowjets verhaftet, in ein russisches Gulag-Lager verschleppt und zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Der Vorwurf: Spionage für die USA. Der Fall erregte im Nachkriegsösterreich zwar großes Aufsehen, die wahren Hintergründe sind jedoch bis heute nicht ganz geklärt. 1955 wurde die spätere ÖMV-Vorstandsdirektorin aus der Haft entlassen. Ottillinger selbst erfuhr bis zu ihrem Tod 1992 nicht, warum sie sieben Jahre lang in sowjetischen Straflagern zubringen musste und wem sie das zu verdanken hatte.
Diese Dokumentation kann anhand von neuen Erkenntnissen aus russischen Aktenbeständen endlich diese offenen Fragen klären: Dabei wird ein Bild jener Person gezeichnet, die Ottillinger denunziert hat. Der Österreicher Alfred Fockler, der als amerikanischer Agent den Sowjets in die Hände fiel, wollte seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, indem er Ottillinger schwer belastete. Zwei weitere Männer besiegelten Ottillingers Schicksal: der russische Ingenieur Andrej Didenko, der sich in die junge Spitzenbeamtin verliebt hatte und dem sie bei der Flucht in den Westsektor behilflich war, und Minister Peter Krauland, der tatenlos zusah, als seine beste Mitarbeiterin verschleppt wurde.
Stefan Karner hat die jahrzehntelang unter Verschluss gehaltenen KGB-Verhörprotokolle aufgearbeitet, und stieß auf Namen und Aspekte in Ottillingers Umfeld, die bisher nicht bekannt waren. Anhand von neuen Dokumenten des KGB und der westlichen Geheimdienste lässt sich Ottillingers Verschwinden als Verkettung politischer und menschlicher Komponenten rekonstruieren. Ottillingers Arbeit für den Wiederaufbau Österreichs mithilfe des amerikanischen Marshallplans und die geplante Kürzung der Stahlzuteilungen für die sowjetischen Betriebe in Ostösterreich machten sie für die Sowjets verdächtig und zur amerikanischen Spionin.
Als mächtige junge Frau, die innerhalb der österreichischen Bürokratie viel Geld zu verteilen hatte, zog sie zudem in einer Männergesellschaft Neid und Missgunst auf sich: Anzeigen bei der sowjetischen Besatzungsmacht waren die Folge. Und Ottillinger, die niemals Angst zeigte, spielte tatsächlich mit dem Feuer: indem sie sich tief in die Netze der Geheimdienste im Wien der Nachkriegszeit hineinwagte.
Dieser Film vermittelt eine Zeit, als der frühe Kalte Krieg im Herzen Europas nicht nur militärisch ausgetragen wurde, sondern auch ein unerbittlicher Wirtschaftskrieg war. Wien war neben Berlin zu einem gefährlichen Brennpunkt zwischen Ost und West geworden. Ottillinger war mitten darin, als Akteur, aber auch als „Bauernopfer“. Dem Galgen entrann sie nur, weil Stalin 1948 gerade die Todesstrafe ausgesetzt hatte. 25 Jahre Gulag war die Alternative: ein Tod auf Raten. Der Film geht dem Martyrium der Margarethe Ottillinger nach. Bis zu ihrer vorzeitigen Befreiung aus dem sowjetischen Gefängnis, nach sieben qualvollen Jahren.
Anhand hochwertiger Reenactments, von einzigartigem Archivmaterial und Interviews mit Zeitzeugen und Historikern ergibt sich ein Portrait dieser jungen, ungewöhnlichen Frau, die durch ihre Wirtschaftskompetenz und ihr Selbstbewusstsein ihrer Zeit weit voraus war.
1955 nach Österreich zurückgekehrt, setzte Ottillinger mit dem Bau der kubistischen Wotrubakirche in Wien ein sichtbares Zeichen für den unterdrückten Menschen in totalitären Regimen. Damit errichtete sie auch ihrem eigenen persönlichen Schicksal ein eindrucksvolles Denkmal.