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LEBENSBEDINGUNGEN UND MENSCHENWÜRDE



"The most important man in the motion picture business is the writer.
Don’t give him any power!"

Irving Thalberg

 

Wie ein Autor damit lebt, wovon er lebt, darüber hat sich eigentlich noch kaum jemand Gedanken gemacht. Natürlich muß man annehmen, daß ein Autor zufrieden ist, wenn er von dem leben kann, was er schreibt. Nur kann kaum jemand wirklich davon leben, und wenn, dann ist man vielbeschäftigt und/oder ausgesprochen kommerziell orientiert. Was ist zu wählen? Ein Leben in Reichtum mit menschenunwürdigen beruflichen Bedingungen, oder ein Leben in Armut, aber erhobenen Hauptes? Die Frage ist zu stereotyp, daß sie sich Autoren wirklich stellen, außer sie träumen schlecht und wachen schreiend auf. Die bewußte Frage, die sich Autoren vielleicht stellen, ist: Bin ich ein Mensch, der den Erfolg braucht, der es genießt, von Menschen, von welchen auch immer, hofiert zu werden? Geht es mir auf die Nerven, daß immer ich die Leute anrufen muß, um ihnen etwas anzubieten, und daß ich dann für mein Werk verbessert, gemaßregelt und belehrt werde, und von Glück sagen kann, wenn sich einer einmal bedankt? Bin ich einer, der sich stets rechtfertigen muß und dann doch gebeugten Hauptes geht? Die Antwort hängt ganz davon ab, was man domestiziert hat: Unterwürfigkeit oder Standesbewußtsein. Oder ist im Falle des Drehbuchautors das eine Teil des anderen?

Wartezeiten

Wenn es um die Verwirklichung seiner Drehbücher geht, braucht ein Autor vor allem Zähigkeit und Geduld. Das fängt schon einmal damit an, daß der Berufseinstieg erst relativ spät geschafft wird. Statistische Werte lassen sich hierzulande nicht feststellen, man kann aber davon ausgehen, daß die Stastitik der amerikanischen Writer’s Guild auch auf Eruopa zutrifft. Schließlich hört man auch hier immer wieder vom Mythos einer neuen Generation junger Drehbuchautoren, der in Wirklichkeit nicht stimmt: nur 9 Prozent aller Drehbuchjobs werden von unter 30jährigen gemacht. Das statistische Alter, das ein Neuling hat, der sein erstes Drehbuch verkauft, beträgt 35 Jahre. Am besten beschäftigt sind dann die 41- bis 50jährigen, sie schreiben 37% aller Drehbücher, wobei auch dieses Hoch nicht allzu lange anhält. Die Kurve geht nach dem Alter von 55 dramatisch nach unten, ab 60 sind nur mehr 4% in den Writerjobs zu finden. 1

Was in Stastiken natürlich nicht erfaßt wird, ist, daß die Beschäftigung, also die Arbeit, ja im Schreiben besteht, der Lohn dafür aber erst Jahre später in Empfang genommen wird. Die volle Drehbuchgage gibt’s meistens erst, wenn der Film gedreht wird, und bis dahin heißt es lange warten. Robert Muller, der auf eine 40jährige Erfahrung im Schreiben von TV-Stücken zurückblickt, bedauert an der Jetztzeit "die Unmöglichkeit, ein Projekt schnell realisieren zu können. Es dauert längst nicht mehr 4-6 Wochen, auch nicht 4-6 Monate, einen Fernsehfilm durchzusetzen. Es dauert - nach meiner Erfahrung – 4-6 Jahre vom Tag des ersten Gesprächs bis zur Ausstrahlung; und das nur, wenn alles gut geht." 2 Felix Mitterer berichtet, daß er für die Piefke Saga die (ursprünglich vorgesehenen) neun Folgen zu 60 Minuten zwischen 1983 und 1986 fertiggestellt hatte, dann drei Jahre überhaupt nichts passierte, bis 1989 endlich gedreht wurde.3 Natürlich gibt es Glücksfälle, wo es nur ein bis zwei Jahre dauert, in der Regel dauert es aber einmal einige Zeit, bis man einen Abnehmer für das Drehbuch gefunden hat. Es gibt Bücher, die werden vom ORF abgelehnt, während sie von einer anderen Förderungsstelle angenommen werden. Oder umgekehrt. Oder sie werden abgelehnt, und nach leichten Korrekturen nach einigen Jahren angenommen. Allerdings: meist von anderen Personen, denn wer einmal ein Drehbuch ablehnt, ist nur schwer wieder umzustimmen. Nichts ist so verfemt, wie ein angejahrtes Drehbuch. Ein Drehbuch liest sich ja auch nicht wirklich gut, es ist die Vorstellung eines Films, den man auf der Leinwand sehen will. So gesehen ist es ein Wegwerfprodukt, und ein Drehbuch, das schon lange liegt, will man erst recht wegwerfen. Tröstlich nur, daß es in den USA noch länger dauern kann, Forrest Gump, Out of Africa und The Bodyguard benötigten zehn Jahre von der Idee bis zur Verwirklichung.4 Und dann passieren wahre Glücksfälle. Daß ein Autor mit einem Drehbuch zur Produktion kommt, und keine zwei Jahre später dafür den Oscar in Empfang nimmt. So geschehen bei American Beauty.5

 

Begrenzte Rechte

Raymond Chandler schrieb über die Rolle des Drehbuchautors in Hollywood, daß er sich damit abfinden müsse, daß eben der Produzent der Boß sei: "Dabei spielt es eine geringe Rolle, was ein Schriftsteller für einen Produzenten als Mensch empfindet. (...) Das, was in der Einsamkeit und aus dem Herzen geschaffen ist, kann man nicht gegen die Entscheidung eines Ausschusses von Kriechern verteidigen. Das zerbrechliche Wesen, das Literatur ausmacht, kann die Phrasen einer langen Reihe von Konferenzen über die Handlung eines Films nicht überstehen."6 Daß dennoch einige wenige gelungene Filme entstehen, sei "das seltene Wunder, das die Handvoll guter Schriftsteller in Hollywood davon abhält, sich die Kehle durchzuschneiden."7

Die Regel der Produzenten lautet, daß ein Autor sich mit den Änderungen, die seinem Drehbuch zugefügt werden, abzufinden hat. Und wenn er das nicht tut und sich mit dem Produzenten anlegt, führt das zu einer breitgestreuten Diffamierung in der Branche.

"Ein Autor, der sich auf dem Gerichtsweg mit einem Produzenten oder gar einem Sender anlegt, schaufelt sich ein eigenes Grab ...", schreibt der deutsche Drehbuchautor Matthias Herbert.8 Und weiter: "Der Autor ist derjenige, der an allem schuld ist. Wird aus einem Buch ein brillanter, preisgekrönter Film, wird der Hauptdarsteller, der Redakteur und der Regisseur zur Preisverleihung eingeladen. Wagt der Autor aufzutauchen, wird er gefragt: ‚Wer sind Sie, was wollen Sie?‘ Autoren sollen die Idee haben, die Vorlage liefern, auf Schauspieler-, Redakteurs-, Produzenten- und Regisseurswünsche unverzüglich eingehen. Haben Sie das getan, und das Produkt mißlingt, war es ein ‚Scheiß-Buch‘."9

Daß ein Autor diskriminiert wird, sobald er öffentlich Einspruch gegen die Behandlung seines Werkes einlegt, hat durchaus Tradition. Als Carl Mayer, der noch zuvor für seinen Erfolg von Das Cabinet des Doktor Caligari gefeiert wurde, seinen Namen aus der Wedekind-Verfilmung Erdgeist (1922, Regie: Leopold Jessner) zurückziehen wollte, wurde dies in mehreren, von der Filmindustrie gesponserten Fachblättern als "Anfall von Wahnsinn" bezeichnet.10

Während es in den USA die Writer’s Guild gibt (deren Mitgliedschaft freilich exklusiv und teuer ist) und in Frankreich gleich zwei Gewerkschaften gibt, die sich für die Rechte von Autoren einsetzen, gibt es in Österreich keine vergleichbare Einrichtung. Die IG Autoren ist tatsächlich als Interessengemeinschaft zu sehen, wo Autoren ihre Interessen gegenseitig austauschen, die Literar Mechana als Verwertungsgesellschaft kann zwar informieren und beraten beistehen, übernimmt aber keinerlei rechtlichen Beistand bei Urheberrechtsstreitigkeiten. Dasselbe gilt für das "Drehbuchforum" im Filmhaus. Es fehlt auch die öffentliche Anerkennung des Berufes, hierzulande ist der Drehbuchautor ebenso wenig präsent wie der Korbflechter. Und unter den wenigen Autoren gibt es kaum ein Miteinander. Anders in Serbien: dort findet jährlich ein Festival der Drehbuchautoren statt.


Hinweise für junge Autoren zu den Drehbuchhonoraren

Über Drehbuchhonorare werden große Mysterien verbreitet, teils sehr huldvolle, die nicht wenige junge Menschen in die Fänge selbsternannter Drehbuchgurus treibt. Tatsächlich werden die finanziellen Aussichten dem angehenden Autor in den himmlischsten Farben beschrieben und so mancher sieht sich schon im Porsche von der Villa im Nobelbezirk in das Feriendomizil in der Toskana brausen. Irrtum, Freunde! Das sind die Produzenten, und – vielleicht – zwei, drei erfolgreiche Autoren in Deutschland. Ernst Hinterberger, von dem man meinen möchte, nach 65 Folgen "Kaisermühlen-Blues", steinreich zu sein, bewohnt mit seiner Frau in Margareten eine 44m²-Wohnung und besitzt eine gerade ebenso große Strandhütte in Klosterneuburg. Weniger gut beschäftigte Autoren beim Fernsehen tun sich bei einem Satz von 1950,- Schilling pro Sendeminute (dem regulären ORF-Satz für Fernsehfilme) schwer, ihr Leben zu fristen. So stehen viele Autoren vor dem Dilemma, andere Jobs ausüben zu müssen, die oft nichts mit dem Schreiben zu tun haben, denn die Alternative, sich als Romanschriftsteller oder gar als Lyriker zu profilieren, ist zumindest von der finanziellen Seite aus gesehen weitaus ungünstiger. So kommen viele in das Dilemma, durch einen Brotjob, der nichts mit Drehbuchschreiben zu tun hat, keine Zeit mehr fürs Schreiben zu finden. Was darunter leidet ist die Qualität des Buchs, an dem man arbeitet, abgesehen von einem funktionierendem Privat- oder Familienleben. Drehbuch schreiben, Geschichten schreiben überhaupt, ist ein kontinuierlicher Vorgang. Dem Autor kann nichts Schlimmeres passieren, als unterbrochen zu werden. Wenn man die Realität seiner Geschichte verlassen muß, um in die Realität der Existenzerhaltung einzutauchen, bleibt die Geschichte im wahrsten Sinn des Wortes auf der Strecke. Um vom Drehbuchschreiben leben zu können, muß man wahrscheinlich zwei 90-Minuten-TV-Filme pro Jahr verkaufen. Eines ist schon zu wenig. 180.000 Schilling Drehbuchhonorar, von denen nach Abzug von Steuer und Versicherung zwischen 90.000 und 140.000 Schilling übrigbleiben, reichen tatsächlich nur kurze Zeit zum Leben. Mit dem österreichischen Fernsehen ist also nicht das große Geld zu machen.


In Deutschland wird – wie man so hört – das Doppelte gezahlt. Genaue Zahlen sind schwer zu bekommen. Aber bereits vor sieben Jahren lag das Honorar für einen 90-Minütiger bei einem lokalen öffentlich-rechtlichen Sender wie dem Bayrischen Rundfunk bereits deutlich höher als heute hierzulande: 44 000 Mark plus der nämliche Betrag bei Wiederholung. Die Privaten, wie Pro Sieben, zahlten für eine Serienfolge bereits 140 000 Mark, dies allerdings als Buy-Out, was wiederum fast doppelt so viel ist wie der hierzulande üblichen Buy-Out-Tarif von 500 000 Schilling.
11 Diese Autorenhonorare werden freilich durch Co-Autoren, meist Regisseure, weiter geschmälert. In Deutschland ist auch eine Beteiligung von Schauspielern am Drehbuch nicht selten. Günter Lamprecht und Hannelore Eisner fungieren immer wieder als Co-Autoren. Wegen des Überangebots sind bekannte Schauspieler oft mit nur noch höheren Gagen zu ködern, die sich auch aus den Buchtantiemen zusammensetzen.


Das ist letztendlich das Dillema der Drehbuchhonorare. Alle anderen Filmschaffenden werden nach Kollektivverträgen bezahlt, die Preise für (Kino)-Drehbücher sind großen Schwankungen unterworfen. Doch auch wenn man gut bezahlt ist und den Stundenlohn eines Mitarbeiters des technischen Stabs mit dem des Drehbuchautors aufrechnet, wird man zu einem erheblichen Mißverhältnis zu Ungunsten des Autors kommen.

Sollte man als Drehbuchautor mit dem Makel behaftet sein, jung zu sein oder das erste Buch verkauft zu haben, oder – noch schlimmer – beides zugleich (was ja vorkommen soll), sollte man sich keine großen Hoffnungen auf ein ansprechendes Honorar machen. Niemandem glauben, der von Drehbuchhonoraren zwischen 500.000 und 800.000 Schilling spricht. Auch wenn der Produzent zusagt, ein Honorar nach den ÖFI-Bedingungen zu zahlen, heißt das noch lange nicht, daß dies dem Höchsthonorar entspricht, das das ÖFI in seinen Satzungen vorschlägt. Dieses liegt zwischen 3 und 3,5 % Prozent der Herstellungskosten: Bei einem Produktionsvolumen von 15 Millionen Schilling könnte man also eine runde halbe Million kassieren. Gesegnet seien die Produzenten, die das wirklich zahlen. Von der Geschäftsführung des ÖFI habe ich im Herbst 1999 erfahren, daß Drehbuchneulinge nach den nicht veröffentlichten Niedrigstsätzen bezahlt werden, die zwischen 1,5 % und 1,75 % des Gesamtbudgets des Films liegen. Fazit: in Bezug auf Drehbuchhonorare herrscht in Österreich der Wilde Westen.

Die Argumentation, warum der junge Autor auf etwas verzichten sollte, was ihm eigentlich zusteht, ist stets dieselbe: Du hast dein erstes Drehbuch verkauft, hast also ungeheures Glück gehabt, für das du dein Leben lang dankbar sein solltest.

Eigentlich liegt eine gewisse Unverschämtheit in dieser Argumentation: man fühlt sich wie ein schmieriger Sänger, der durch einen Zufall einen Hit gelandet hat sieht sich im nächsten Moment schon wieder untergehen. Wendet man ein, daß man durch sein Studium an der Filmakademie eine fundierte Ausbildung zum Drehbuchautor durchlaufen hat, und dies mitnichten das allererste verfilmte Drehbuch wäre, dreht sich das Gegenargument in die Richtung, daß eben durch dieses erste verkaufte Drehbuch alle Türen zu Produzenten und Sendern weit offen stünden, und der Autor wiederum dankbar sein müßte, durch den Erstlingsfilm das Eintrittsticket für die sonst so verschlossene Branche in Händen halten zu können. Es ist ihn solchen Gesprächssituationen immer gut, nicht bewaffnet zu sein, um sich und anderen weiteres Leid zu ersparen.

 

Fußnoten:

1 The Writers Guild Statistics. "Insider", Heft 10/98, S.17, Charles B.Slocum: Fact, Fiction and Statistics, From the Dec./Jan. ’98 issue of "Written By"
2 Muller, Robert: Drehbuchschreiben in Theorie und Praxis, In: Ernst, Gustav [Hg.]: Drehort Schreibtisch, Wien-Zürich 1992, S.106 f.
3 Hanns-Ivo Schneider: Denn sie wissen, was sie tun – erfolgreiche Drehbuchautoren in Österreich, HSfMD, Wien, Abt. Film & Fernsehen, WS 1998, S.25
4 Linda Seger: Vom Drehbuch zum Film in Hollywood, in: Heike Amend, Michael Bütow [Hg.]: Der bewegte Film, Berlin 1997, S.127
5 Nicholas Kazan: True Beauty, WGA Magazine "Written By", 3/2000
6 zitiert bei Jochen Brunow: Erzählen in Bildern, in: Ernst, Gustav / Pluch, Thomas [Hg.]: Drehbuch schreiben -
eine Bestandsaufnahme. Wien, Zürich, 1990, S. 22f
7 ibid., S.23
8 Matthias Herbert: Unchristliche Verwicklungen, in: Sabine Perthold [Hg.], Der gebrauchte Autor, Drehbuchforum Wien 1997, S. S.28
9 ibid., S.29
10 Jürgen Kasten: Carl Mayer – Filmpoet, ein Drehbuchautor schreibt Filmgeschichte, Berlin 1994, S.150f
11 Der Spiegel, 37/1994, S.140

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