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Mit dem Buckelwal auf Du und Du

Wieder einmal regnet es die ganze Nacht, und am Morgen ist die ganze Insel von einem Grauschleier umgeben, der von schwächer und stärker werdendem Regen begleitet ist, sodass wir nicht besonders frohgemut sind, für diesen Tag unsere Walbeobachtung gebucht zu haben.

Wir verlassen also auf dem Boot den Hafen, nicht besonders zuversichtlich, an diesem Tag Wale zu sehen zu bekommen. In diesem Augenblick freuen wir uns eigentlich nur darauf, irgendwann wieder zurück, ins Trockene, zu kommen, denn das kleine Boot peitscht hart über die hohen Wellen, die Regentropfen stechen bereits auf unserer Haut und klamme Kälte macht sich breit. Vor uns das zweimotorige Speedboat des italienischen Wal-Explorers „Balenottero“. Auf seinem Boot hat er etwa ein Dutzend Leute aus der Bretagne, darunter einige Kinder und es herrscht familiäre Geschäftigkeit, die dem Organisator fast die Rolle des „Papa“ einbrachte. Unser Boot, das kleinere, wird von einem Madegassen gesteuert und hat mit uns acht Menschen an Bord.

Das Meer ist eine schwarze Masse in einem grauen Nebelfeld, und wir wollen kaum glauben, dass sich an der Wasseroberfläche etwas zeigen könnte. Doch dann, etwa einen halben Kilometer entfernt, ist doch etwas Lebendes zu sehen – ein schwarzer, glatter Körper, der auftaucht, sich eine Weile von den Wellen treiben lässt und dann wieder in den starken Wogen versinkt. Nur unscharf nahmen wir den Wal aus der Entfernung wahr, zwischen einem Vorhang von Nebel und Regen. Wir nähern uns mit den Booten der Stelle, wo wir ihn gesehen haben, und warten mit abgestelltem Motor auf ein Auftauchen. Die Stille beim Warten auf ein großes Meerestier hat etwas durchaus Spannendes und Beklemmendes. Man fühlt sich an Filme wie „Moby Dick“, aber auch an „Der weiße Hai“ erinnert. Der Wal tut uns aber nicht mehr den Gefallen und bleibt unter Wasser. Ich bin vorerst zufrieden, das erste Mal in meinem Leben einen Wal gesehen zu haben und hätte mich mit diesem Ereignis gerne zufrieden gegeben. Aber es sollte noch besser kommen, viel besser...

Schon bald entdecken wir als untrügliches Zeichen der hier vorkommenden Buckelwale eine ausgestoßene Wasserfontäne, kurz darauf das Auftauchen eines nassen Körpers. Mit voller Motorleistung (und damit verbundenem Benzingestank) machen wir uns an seine Verfolgung. Während das Meer – trotzdem der Regen langsam nachlässt – noch nicht zur Ruhe gekommen ist und die Wellen zackengleich aufschäumen, bleibt dort, wo der Wal getaucht ist, eine glatte, fast spiegelnde Wasseroberfläche zurück, die ruhig wie ein Teich gegenüber ihrer Umgebung wirkt. Der Wal taucht freilich an ganz anderer Stelle wieder auf.

Aber das Boot ist schnell genug und die Wale äußerst freundlich. In unserer direkten Nähe steigt das von ihnen ausgesprühte Wasser auf und schließlich tauchen gleich zwei riesige Buckelwale auf, lassen sich in einer runden Bewegung über die Wasseroberfläche gleiten, um schließlich – mit ausgestreckter Schwanzflosse, deren Rückseite weiß ist – einzutauchen. Nach den beiden entdecken wir schließlich sogar noch einen dritten, und unser kundiger Bootsführer – ein junger Madegasse – erklärt uns, dass es sich um zwei Männchen und ein Weibchen handelt. Als sei es ein Spiel bewegen sie sich um die beiden Boote, und wahrscheinlich sind wir sogar ein Teil ihres Spiels. Anders ist es nicht zu erklären, dass diese riesenhaften Tiere einmal auch unter dem Boot hindurchtauchen und damit uns zu überwältigten Beobachtern machen. Zweifelsohne ist die Freundlichkeit der Wale mit einer äußerst hohen Intelligenz verbunden. Mit nur einer Bewegung hätten sie mühelos das Boot mit 15 Menschen kippen können, aber daran ist ihnen nicht gelegen. Vielleicht sind sie einfach nur neugierig, denn einmal sehe ich ihren flachen Kopf mit den vielen Noppen auftauchen und erkenne ein waches Auge, das auf mich gerichtet ist. Trotz ihrer freundlichen Gesinnung ist das Näherkommen des riesenhaften Körpers und der Wassermasse, die dieser beiseite schiebt, dennoch bedrohlich, und wenn der Wal nur wenige Meter vom Boot auf- und eintaucht, senkt sich auch das Boot um einiges in die bewegliche, wellige Grube von verdrängter Wassermasse.

Auf der Rückfahrt ist die Nässe und die Kälte, die wir trotz der angelegten Schwimmwesten bis auf die Haut spürten, vergessen, in den Gesichtern der Bootsgäste spielt ein sanftes Lächeln, denn nichts anderes als ein Liebesspiel ist es gewesen, dem wir zusehen durften, dem trotz der wuchtigen Masse dieser Tiere unheimlich viel Zärtlichkeit innewohnte. Der Organisator von „Il Balenottero“, der Italiener, gesteht uns später, dass es kaum möglich sei, Buckelwale noch näher zu beobachten und dass wir Zeugen eines seltenen Schauspiels geworden sind.


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