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Hungrige
Führer
Wenn
es für die Pousse-Pousse-Fahrer
schon schwierig zu glauben gewesen war, dass wir zu Fuß die
Stadt erkunden wollten, so muss es für sie noch unfassbarer
gewesen sein, als wir ihnen mitteilten, zum 7 km entfernten
Lac Andraikiba
wandern zu wollen. Sie nennen uns aber keinen geeigneten Grund,
dies nicht tun zu können, und so erreichen wir bald das Gelände
der Bierbrauerei, die eine der größten in Afrika ist, wie uns
ein Begleiter namens Salomon erzählt. Salomon ist ein junger
Friseur, der unbedingt sein Englisch verbessern will und so
mit uns ein oder zwei Kilometer mitgeht. Er würde uns auch
bis zum Lac Andraikiba begleiten, wenn wir ihn dort freundlicherweise
zum Essen einlüden. Nachdem wir dies geradeheraus ablehnen,
fällt ihm ein, dass er doch ganz schnell wieder in die Stadt
muss und verabschiedet sich.
Also
sind wir wieder allein auf dem Weg, aus der Stadt draußen,
jenseits der Polizeikontrolle, die an jedem größeren Ortseingang
und Ausgang aufgestellt ist, und auch fern aller Pousse-Pousse-Fahrer
und Verkäufer, von
denen gerade in Antsirabe eine Vielzahl echte und unechte Edelsteine
anbieten. Die Straße führt entlang von Reisfeldern und Äckern.
Am Straßenrand immer wieder Stände und vor allem Kinder, die
meist aus dem Nichts auftauchten, "Bonjour vazaha!" rufen,
wenn sie freundlich sind, "comment tu tappelle?" fragen,
wenn sie neugierig sind, und "Donnez-moi un bonbon!" oder
gar "Donnez-moi dargent!" forden, wenn sie
ihre wirtschaftliche Lage verbessern wollen. Die weniger Freundlichen
lachen uns offen aus, vor allem S., was wahrscheinlich daran
liegt, dass der Anblick einer Frau in Hosen hierzulande ein
seltenes Ereignis zu sein scheint.
Einmal
werden wir von einem Karren mit zwei Zebus überholt, aber viel
schneller sind sie auch nicht als wir.
Ehe
wir uns versehen, haben wir einen neuen Begleiter, der von
Anbeginn - nicht ganz
berechtigt, nach unserer Ansicht - die Position unseres Führers
einnimmt. Jedenfalls begleitet uns Jean-Claude, ein Student
der Juristik, zum Lac Andraikiba, wo wir ein kleines Picknick
machen. Jean-Claude ist hungrig und ich bin einen Moment eigenartig
berührt, als ich ihm eine Banane entgegenstrecke und er sie
freudig ergreift. Jean-Claude ist allerdings auch wissensdurstig
und will von uns allerhand über Europa wissen, zum Beispiel,
ob es stimmt, dass wirklich jeder Italiener ein Auto besitzt.
Andere Fragen bedeuten eine indirekte Forderung. Als es Abend
wird und uns allen der Magen zu knurren beginnt, fragt er,
wie viele Mahlzeiten wir in Europa
pro Tag einnehmen und welche die Hauptmahlzeit sei. S, die nicht geneigt
zu sein scheint, mit ihm das Abendessen zu essen, sagt kurzentschlossen, dass
wir es in Europa beim Frühstück belassen,
was ihn dann doch etwas erstaunt.
Betafo – sattes Grün
Betafo
ist eine Kleinstadt, die nur aus Hütten um einen zentralen Platz besteht, dessen Hintergrund
von einer mächtigen zweitürmigen Kirche eingenommen wird, die
sich eindrucksvoll vor dem rötlich-braunen Bergland erhebt.
Im Dorf selbst wird alles angeboten, was auf den Feldern ringsum
wächst und gedeiht. Neben dem zentralen Marktplatz liegen Maniokwurzeln
zum Trocknen am Boden. Etwas außerhalb an einem Hügel, nahe
des von Bäumen umsäumten Tatamarina-Sees, befinden sich die
Gräber der hier ansässigen Betsileo-Könige. Da sich die Abenddämmerung
bereits ankündigt, wandern wir die drei Kilometer zu den Wasserfällen
weiter. Die Landschaft dorthin ist äußerst lieblich, voll von
Blumen und Sträuchern. Entlang der Bäche die Reisfelder, die
größeren in der Ebene, die kleineren terrassenförmig angelegt.
Der Wechsel zwischen abgeernteten, blühenden und noch zu erblühenden
Feldern gibt der Landschaft ein abwechslungsreiches Farbenspiel
zwischen Rot, Ocker und Grün. Die Menschen in ihren oft bunten
Kleidern wirken wie Farbtupfen in dieser Pastellandschaft.
Die Wasserfälle rauschen zwischen Felsen und immergrünen Pflanzen
in die Tiefe und speisen damit diese fruchtbare Landschaft.
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