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Auf der Suche nach Lemuren im Regenwald
Tief
hängt der Nebel am Morgen über
dem Regenwald, verbreitet eine mystische Stimmung. Mit einem
Mal löst das Blau des Himmels den Regen auf und der Wald erscheint
klar und einladend vor uns. Doch ebenso schnell ziehen andere
Wolken nach, und als wir den Eingang des Ranomafana Nationalparks
erreichen, ist der Himmel wieder bedeckt.
Unsere
Führerin Patricia gibt
sich alle Mühe und zählt schon zu Beginn etwa zehn Pflanzen
und Bäume auf, erklärt ihre Wirkungsweise, wie sie in der Naturmedizin
Madagaskars zur Geltung kommt. Beispielsweise ist der Regenwald
voll mit riesigen, verschiedenen Arten von Farnen und auch
einem kleinen Blattbusch namens Camelia, der gut gegen Bauchschmerzen
sei und auch auf der ganzen Insel zu finden ist.
Als
wir eine Brücke über
einen brausenden Wasserfall überqueren, begegnen uns schon
die ersten Geckos – dunkelbraune, längliche Geschöpfe,
deren Spezies hier auf Madagaskar, übrigens als einzige auf
der ganzen Welt, auch tagaktiv ist. Nach der kleinen Brücke
führen
Pfade durch den Sekundärwald, und Patricia erklärt uns mit
unterdrückter
Aufregung, eine Gruppe hätte eben einen Sifaka gesichtet. Als
wir dort anlangen, hat sich dieser aus dem Staub gemacht. Zusätzlich
zu den Führern sind sogenannte "chercheurs" im Urwald
unterwegs; Einheimische, die auch durch gezielte Rufe Lemuren
aufspüren und die Besucher geradewegs zu ihnen bringen.
Und
einer von diesen hatte Erfolg. Nach tapsender Wanderung durch
das Dickicht entdecken wir eine
Fünfergruppe vielleicht fünfzehn Meter über uns auf einem Ficus,
dem wilden Feigenbaum, von dessen Früchten sich die Halbaffen
ernähren. Die fünf Rotbauchmakis lassen sich von uns Beobachtern
nicht stören, fressen, oder putzen sich gegenseitig die Schwänze.
Der Weg wird immer glitschiger
und ich rutsche einmal verhängnisvoll aus - noch mehr rote
Erde auf den Hosen. An den Füßen von Patricia, die unverständlicherweise
Sandalen trägt, haben sich innerhalb kürzester Zeit Blutegel
festgesaugt.
Die
Wanderung durch den Regenwald ähnelt
ein wenig den Wegstrecken durch unsere Laubwälder, wenn da
nicht so manche eigenartige Rufe, unbekannte Vogelstimmen und
von den Blättern herabstürzendes Wasser gewesen wären, die
die Sache mitunter unheimlich machten.
Kurz
nach der Pause am Bellevue, einem Aussichtspunkt auf den Nationalpark,
reißt der Himmel
wieder auf und lässt ein strahlendes Blau durchscheinen. Völlig
unvermutet sitzt, gleich in der Nähe des Aussichtspunkts, auf
einer kleinen Lichtung, ein Lemur auf einem Baumstamm. Ein
brauner Maki, fast so nahe, dass wir ihn berühren können.
Seinen buschigen Schwanz hat er um den Körper gelegt, um
sich vor der feuchten Kälte eines madegassischen Winternachmittags
zu schützen. Als S. eine
Banane aus dem Rucksack holt, weiten sich seine Augen
wohl um das Dreifache. Bereitwillig nimmt er die Frucht entgegen,
speist, hüpft hin und her und posiert geradezu ideal vor
meinem Objektiv.
So
gesehen hat sich unser immerhin 4 1/2 Stunden dauernder Ausflug
doch ausgezahlt. Wir kehren
zurück mit den Bildern von noch nie gesehenen Tieren und Pflanzen
- und sind müde.
So wie man in Bad Gastein nach dem Skifahren in die Therme
geht, tut es auch hier gut, nach der Regenwaldtour das Thermalbad
aufzusuche. Ein solches befindet sich im Ort Ranomafana,
gleich in der Nähe des Flusses Namorana,
dessen Ufer von großen, weißen Orchideen
gesäumt war. Das Thermalbecken befindet sich im Freien,
und das heiße Wasser bedeutet tatsächlich ein Labsal
für
die müden Glieder. Der Schwefelgehalt ist kaum merklich
- der Duft des Urwalds beherrscht auch hier alles.
S.
ist wegen einer entzündenden
Schwellung beim Auge beunruhigt, ich auch, vor allem nachdem
ich deren Farbe sah, bräunlich-grün-schwarz und ich suche
S. zu beruhigen, dass es wahrscheinlich die Pest sei, die sie
wohl im Elendsviertel Isotry, wo wir vor ein paar
Tagen gewesen waren, aufgelesen haben musste. Was aber nicht
weiter schlimm sei, denn inzwischen sei die Pest soweit
das nötige
Serum vorhanden ist durchaus heilbar. Wahrscheinlich
ist es aber doch ein Insektenstich.
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