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Fianarantsoa
und Ambalavao Städte der
Ruhe (II)
Zuvor
galt es, die Papierfabrik zu besichtigen. Dort wird seit dem
12. Jahrhundert das Papier
der Antaimoro erzeugt, arabische Einwanderer, die auch die Schrift
mitbrachten, als Geheimlehre versteht sich, während alle anderen
Stämme auf der Insel über Jahrhunderte nichts anderes als mündliche Überlieferung
kannten. Ein Führer in der Fabrik erklärt uns die Art der Erzeugung,
und es ist ihm anzusehen, dass er dies schon zum tausendsten
Mal oder noch öfter tut. Er zerkleinert mit einem Hammer einige
Blätter des Maulbeerbaums, worauf diese als feiner Staub in ein
Wasserbecken gestreut werden. Nachdem das Wasser dem Becken
entzogen wird, bleibt ein heller Brei zurück, auf den dann einzelne
Blüten gelegt werden. Nach einigen Stunden Trockenzeit ist das
Papier fertig - rau und vielleicht zum Schreiben von langen
Briefen nicht unbedingt geeignet, aber schön anzusehen. Und so
kaufen wir im angeschlossenen Geschäft einige Blätter, Kuverts
und mit vielen Blüten belegte Rollen, die sich als Wandschmuck
eignen.
Es
ist ein herrlicher Tag mit einem tiefblauen Himmel und so spazieren
wir noch ein wenig
durch die Stadt. Wir wurden von neugierigen Blicken verfolgt
und mitunter scheinen auch mir die ewigen Vazaha-Rufe
nicht immer freundlich, sondern eher belustigt. Ich werde das
Gefühl nicht los, dass Vazaha nicht einfach nur Fremder,
sondern eher Weißer heißt, womöglich mit der Konnotation
des Begriffes Neger, wie er bei uns gebraucht wird.
Wir
haben ein wenig Proviant mitgenommen und gehen so aus der
Stadt, um an einem Hügel
mit Aussicht auf das Gebirge ein kleines Picknick abzuhalten.
Tatsächlich gibt es hinter der Stadt eine von Gras bewachsene
Erhebung, auf der sich so etwas wie ein überdachter Pavillon
befindet. Dort lassen wir uns nieder und sind sofort von 15
Kindern umringt. Sie sind keineswegs unangenehm, bestenfalls
neugierig und unterhalten sich köstlich, während sie uns beobachteten.
Ab diesem Zeitpunkt ist es nicht mehr möglich, in Ruhe das
nahe Gebirge zu genießen, geschweige denn anständig zu essen.
So
gehen wir wieder in die Stadt, um zu erkunden, ob es Führer
gäbe, die uns auf den Pic Boby
geleiten würden. In einem Bretterschuppen, der als Hotely dient,
versteht man unser Ansinnen wohl nicht, und als wir auf dem
Hauptplatz nachfragen, ernten wir erstaunte Rufe und Lacher.
Der Brigadier der Polizeistation weiß schließlich, daß es
für die Besteigung des Pic Boby eine "autorisation speciale" bedürfe,
die wir beim WWF bekommen würden. Der befinde sich in einem
Haus am Ortseingang und der freundliche Polizist erklärt sich
bereit, uns dorthin zu bringen. In Begleitung einer Person
in Uniform ändert sich sofort das Verhalten der Menschen auf
der Straße uns gegenüber. Keine Vazaha-Rufe und keine
Witzchen mehr, nur stumme und respektvolle Blicke. Der Brigadier,
der trotz Uniform wie ein Rasta wirkt und zerschlissene, mindestens
zwei Größen zu große Schuhe hatte, ist auch ein Herr über seine
Stadt. Stolz zeigt er uns den Place de lIndependance,
der eigentlich nur eine große, parkähnliche Wiese mit irgendeinem
lächerlichen Denkmal ist und überhaupt wie ein Kinderspielplatz
wirkt. Er preist ihn wie eine unglaubliche Sehenswürdigkeit
an, genauso wie die Gebäude der Präfektur. Was seine Ordnung
hat in der Stadt, gefällt ihm, wohl auch die drei goldenen
Streifen an seiner Uniform, die tatsächlich sehenswert sind.
Beim WWF können wir niemanden antreffen, was auch keine große Überraschung
ist, da ja Sonntag ist. Aus der kleinen Kirche gegenüber dringt
wieder kraftvoller, feierlicher Gesang von schönen Frauenstimmen.
Der Brigadier ist trotzdem bester Dinge, unterhält sich mit
uns und begleitet uns zur Taxi-Brousse-Station. Da beweist
er, dass er nicht nur von Ordnung etwas versteht, sondern auch
von Bäumen. Er zeigt und erklärt uns den Avocadobaum, den
Papayabaum und den Bananenbaum. Schüttelt uns die Hand und
schon sind
wir mit (einem etwas moderneren) Taxi-Brousse wieder unterwegs
nach Fianarantsoa.
Am
nächsten
Tag lassen wir übrigens
unsere Andringitra-Pläne fallen. Ich glaube, ich habe dabei
ein schwereres Herz als S. Ich telefoniere einige
Minuten mit
dem "Directeur" des WWF, und der teilt mir mit,
dass im
Moment kein Führer zur Verfügung stehe. Also reservieren wir
für den Nachmittag zwei Plätze für das Taxi-Brousse nach Ranohira.
Mit
der Ruhe des Wochenendes ist es an diesem Tag vorbei. Die Stille
auf
den Straßen ist dem hektischen Alltag des Montags gewichen.
Auffallend der Klassenunterschied zwischen Ober- und Unterstadt,
der wörtlich
zu nehmen ist. Rund um das große Areal der Taxi-Brousse-Station ärmliche
und bettelnde Menschen, in der Oberstadt zurückhaltende, gut
gekleidete Leute. Trotz der Armut sind an der Busstation in
der Unterstadt Spielstände mit Glücksrädern, die aus Fahrradfelgen
gebastelt sind, Menschentrauben davor und von eiferndem Lärm
erfüllt.
Das alles wollen wir hinter uns lassen, hinein in die Ruhe des Isalo-Gebirges. |