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Eingezwängt
ins Isalo-Gebirge
Der
Mazda-Reisebus sah zwar relativ neu aus, seine Schnittigkeit
ging aber auf Kosten der Raumfreiheit der Insassen. Wir
waren zu fünft auf vier Sitzplätze gepfercht, zudem saß neben
mir eine ausgesprochen fette Frau, deren Füße oder andere
Körperteile einen unangenehmen Geruch ausströmten. Mein
anderer Nachbar war ungleich schlanker, ja geradezu knochig,
was in dem Moment zu einem Problem wurde, als er schlafend
bei unruhigerer Piste mit dem Kopf an meiner Schulter lehnte
und nicht selten schmerzhaft auf meinen ganz und gar nicht
gepolsterten Schulterknochen auf- und niederpebbelte.
Um ½ 9 Uhr abends Rast auf der Strecke. Ein dreckiges Restaurant
in Ihosy (sprich: Jusch! oder auch: Ljuusch!) Eine Raststation
wie in Indien: Reis mit magerem Hühnchen, zudem kalt. Ebenso wie
das Ranovola, das normalerweise heiß servierte Reiswasser. Dann
ging die Fahrt weiter, mit ohrenbetäubend lauter Musik (wie in
allen Taxi-Brousses). Neben der Piste war über drei Stunden hinweg
nichts anderes als hohes, gelbes Steppengras zu sehen, und man
konnte sich vorstellen, dass dies noch hunderte Kilometer so weiterging.
Kein Mensch, kein Dorf war in dieser gottverlassenen Gegend zu
sehen, und ich dachte, wir kämen nie in Ranohira an...
In
der tiefsten Nacht, kurz nach Mitternacht, kamen wir dann
doch in Ranohira an – ein Bretterhaufen mitten in
der Wildnis. Über uns war klarer Sternenhimmel. Der Bus
blieb vor einem Hotel stehen und da aus den Lautsprechern
weiterhin ohrenbetäubende Musik drang, stürmte die Hotelbesitzerin
heraus, beschwerte sich, bis leiser gestellt wurde, und
eilte wieder zurück. Eine so auf das Wohl ihrer Gäste bedachte
Besitzerin konnte uns nur sympathisch sein, und so liefen
wir ihr nach, vorbei an den lallenden, schwer betrunkenen,
dunklen Gestalten, die uns im Dorf begrüßt hatten. Wir
flehten um ein Zimmer und bekamen eins – ohne Strom
und heißes Wasser, da alle anderen Zimmer belegt waren,
dafür mit einem grandiosen Bett, das Platz bot für den
Schlaf der Gerechten.
Steppengras,
Schluchten und Lemuren ...
...
begleiteten unsere Wanderungen während der kommenden Tage.
Am ersten Tag war die Wegstrecke über lange Zeit nichts anderes
als Flachland mit hohem Steppengras und hunderten Fliegen. Ausgerechnet
in der sengenden Mittagshitze stürzten sie sich auf uns, was einigermaßen
ungut war, weil sie stachen. Die schroff aufsteigenden Felsen des
Isalo-Gebirges, die unter Umständen landschaftliche Abwechslung
und Schatten versprachen, wollten und wollten nicht näher kommen.
Einzige
Abwechslung in dem flachen Grasland mit seinen Termitenhügeln
waren die Skorpione, die unser Führer als tödlich einklassifizierte,
und dann ein kleines Dorf, an dem wir vorbeiwanderten.
Anders als die hoch aufragenden Lehmhäuser im Hochland – von
Steinen als Bauträger war hier keine Rede –, waren
diese kleinen, flachen Verschläge aus Zweigen und Stroh
gemacht, einsame Behausungen in dieser trockenen Einöde.
Endlich
hatten wir die Felsen erreicht und stiegen einen steilen
Fußpfad hinan, erkannten jetzt bei näherem Hinsehen auf
dem brüchigen Sandstein der Felshügel, versteckt in Nischen
aus Stein kleine Bäumchen, sogenannte Zwergbaobabs - die
Pachypodien. Der Weg war hin und wieder mit Aloen gesäumt,
und als wir die erste Erhebung überwunden hatten, bot sich
ein einmaliger Ausblick auf eine Felslandschaft, die am
ehesten mit der des Grand Canyon zu vergleichen ist. Wenn
auch dessen Mächtigkeit fehlte, so erhoben sich kerzengleich
vor uns schroffe, bizarre Felsformationen, ein Tal von
Stalagmiten gleich, bevor am Horizont wieder höhere Steintürme
aufstiegen. Le Paradis nannte unser Führer diese
Landschaft, in der die Formenvielfalt Namen wie "Krokodilfelsen" hervorgebracht
hatte.
Innerhalb
dieser kargen Felslandschaft ein kleiner, grüner Streifen
mit den kleinen Ravenalas, den Bäumen der Reisenden,
an denen ein kleines Bächlein floß. Diesem folgten
wir, bis wir zu einem oasengleichen Platz gelangten, an
dem klares, hellgrünes Wasser in ein natürliches
Steinbecken floß - das Piscine naturelle. Bereits
andere Touristen hatten sich in Badekleidung am Becken
niedergelassen und so blieben wir an der Stelle des kleinen
Wasserfalls, erholten uns in der Kühle des herabfließenden
Wassers und beobachteten die Geckos, die wiederum die Wärme
suchten. Die mutigen Touristen unter uns wagten ein Bad
im Becken, aber dazu fehlte uns Zeit und Lust, da wir noch
vor Einsetzen der Dämmerung bei den Wasserfällen
sein wollten.
So
gingen wir die Canyonlandschaft zurück, stiegen dann
- wieder der prallen Sonne ausgesetzt, ein Tal hinab, das
wieder üppiger mit Pflanzen bewachsen war. Dennoch
waren wir sehr überrascht, in der Talsohle dichten,
grünen Regenwald zu erblicken. Die Hoffnung, nun nach
vier Stunden anstrengender Wanderung, in schattiges, bequem
zu begehendes Terrain zu kommen, wurde alsbald enttäuscht.
Denn wie in unseren Gefilden gilt es, in die kühle
Schlucht über Felsblöcke zu wandern, ehe man
das steil herabfallende Wasser erreicht hat. Der Zugang über
die teils meterhohen Felsbrocken war erschwerlich und erforderte
unsere letzten Kräfte, wiewohl der Anblick des klar
herabfließenden Bergbaches mit seiner tropischen
Vegetation den Aufwand entschädigte. Am Ende der Schlucht,
im tiefen Schatten des ausgehenden Tages, lag dann der
Wasserfall, der keineswegs brausend war, sondern ein lieblich, über
50 Merer herabfallendes Gewässer war. An allen Steinen
des Felsens herrschte ein fröhliches, kühles
Tropfen, nur ganz am Rande des Felsens war ein kleines
Fenster, das den Blick auf den blauen Himmel freigab.
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