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Ein Sonntag in Madagaskar ...

... ist ruhiger als anderswo. Man findet noch weniger Menschen auf den Straßen und die Städte sind ausgestorbener, als ich es sonstwo auf der Welt gesehen habe. Dabei ist nur die Hälfte der Bevölkerung dem christlichen Glauben zugetan. Bedrückend wird diese sonntägliche Ruhe erst dann, wenn die Sonne erbarmungslos niederbrennt und die viel zu breiten Boulevards Tamataves noch einsamer erscheinen.

Dabei ist Tamatave endlich wieder einmal eine richtige Stadt. Ebenso breit wie die Boulevards sind Gefüge und Ausdehnung der Siedlungen beschaffen. Bei unserer Ankunft sind wir erstaunt, dass die beiden Pousse-Pousse-Läufer fast eine halbe Stunde von der Hauptstraße in die Innenstadt brauchen und haben zuletzt ein schlechtes Gewissen, den Preis der Fahrt zu Beginn so weit heruntergehandelt haben, sodass wir an unserem Ziel den beiden erschöpften und schwitzenden Gestalten dann doch den von ihnen ursprünglich geforderten Preis zahlen.

Höchst erfreut sind wir über den hohen Standard des Hotels „La Génération“. Das Zimmer ist mit einer Terrasse ausgestattet, ganz in Weiß, wie das gesamte Haus, das zwar nicht in der Kolonialzeit entstanden sein mochte, in dieser aber ihr Vorbild fand. Im Bad gibt es fließend warmes Wasser, noch dazu den ganzen Tag über - ein Luxus, den wir seit Wochen entbehren mussten.

Eine sonntägliche Erkundung der Stadt bringt nichts anderes als gähnende Langeweile zutage. Die Kinder der Stadt spielen am weiten Sandstrand, der als Badestrand wegen angeblicher Hai-Gefahr nicht empfohlen wird. Und so sind es auch nur die Fischer, die knietief ins Wasser gehen, um ihre Netze auszuwerfen.

Wir besuchen das Musée Regionale de Toamasina, wo in wenigen Räumen die traditionellen Werkzeuge, Küchengeräte, Spiele und Instrumente der ostmadegassischen Region zu sehen sind. Vom Kübel mit Mörser, mit denen der Reis gestoßen wird, über Korbgeflechte aus Bast, bis zu komplizierten Webstühlen begegnen uns all jene Alltagsgegenstände, die wir zum größten Teil auch während unserer Reise gesehen hatten. Neu ist für uns, und auch geheimnisvoll, die Darstellung der Praktiken der Medizinmänner, die Blätter und Lösungen in Rinderhörnern zubereiten oder verbrennen, um so Krankheiten zu heilen. Das Rind, in Form eines Schädelskeletts, ist auch auf einem Pfahl angebracht, der in den hier ansässigen Naturreligionen als Opferstätte genutzt wird, wiewohl die nun vor uns auf einem Stein liegenden Münzen eher an unseren Aberglauben des Münzenwerfens in Brunnen erinnert. Zuletzt einige Särge, die aus demselben Baum ausgehöhlt wurden wie die Kanus.

Im Gartenrestaurant des „Hotel Génération“ lerne ich einen Schweden kennen. Er ist Lehrer und so nebenher Vorsitzender der Vereinigung der schwedisch-madegassischen Freundschaft, ein Amt, von dem er - ohne dass er es uns näher erklärt - von Zeit zu Zeit enthoben wird, um wenig später wieder in dieses eingesetzt zu werden. Er bereist das Land in einer sehr touristischen Art und Weise - nie war er in einem Taxi-Brousse gesessen, das Hochland hatte er noch nie besucht. Er breitet das Übel seiner drei gescheiterten Ehen aus, findet in mir einen geduldigen Zuhörer und sagt schließlich wegen des hohen intellektuellen Anspruchs unseres Gesprächs, wie er mit einer schmeichelnden Geste der Gnade betont, eine Verabredung mit einem leichten Mädchen ab. Er selbst ist übrigens ein äußerst schlechter Zuhörer, der einem nicht in die Augen sehen kann und dann gedankenverloren mit seinen tiefliegenden Augenhöhlen ins Nichts starrt, bis er von einer nervösen Zuckung wieder in die Realität zurückgerissen wird.

Wir gehen schließlich mit ihm ins „Queen’s“, eine Bar mit Discothek, in der Europäer leichte Mädchen aufreißen. Ihm ist es uns gegenüber offensichtlich peinlich, dass die meisten Frauen ihn dort kennen. S. wiederum, die sich als einzige europäische Frau im Lokal als unerwünschte Konkurrenz und keineswegs wohl fühlt, macht das Beste aus der Situation und beginnt mit einer der Huren ein angeregtes Gespräch. Sie sprechen über Filmstars, vorwiegend männliche versteht sich, und dann beginnt die schwarze Frau durchaus offen über ihr Schicksal zu reden, die drei Kinder, die sie habe, den Mann, der sie sitzengelassen hat und dergleichen mehr. Der Schwede tut dies als den üblichen ostafrikanischen Sozialkitsch ab, für S. ist es ein ungeschminkter Einblick in die weibliche, madegassische Seele.

Beim Rückweg ins Hotel kommen wir in einen Platzregen, sodass wir uns in einen jener Unterstände flüchten, wo die Fleischspieße gebraten werden. Wir bekommen die salzigen Spieße zu kosten und genießen etwas Rum, was den Aufenthalt dort noch heimeliger macht. Als der Regen nachlässt, gehen wir leicht schwankend zum Hotel zurück. Es war wohl der erste und einzige Abend in Madagaskar, an dem wir uns berauscht hatten.



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